Eifersucht kontrollzwang
Liegt tatsächlich ein krankhafter Kontrollzwang vor, hat sich eine Verhaltenstherapie als wirksame Methode bewährt.von Saskia Stelter
2 Min.Ist der Herd weiter an? Sind die Fenster zu? Unsere Autorin erwischt sich regelmäßig, wie sie alles mehrfach kontrolliert – und auch gern nochmal umdreht, wenn sie selbst unsicher ist. Ist das gesunde Vorsicht oder gut ein Kontrollzwang?
Es ist immer wieder dasselbe: Gehe ich aus meiner Wohnungstür und stehe im Treppenhaus, klappt sich in meinem Kopf ein Fragenkatalog aus: Ist der Ofen vielleicht noch an (dabei hab ich ihn gar nicht benutzt)? Habe du alle Geräte ausgeschaltet? Sind die Fenster geschlossen? Wohn ich meinen Schlüssel mitgenommen? Die Folgen: ein hohes Stresslevel und aufsteigende Panik. Schließlich würde ja nicht nur meine Wohnung abfackeln, wenn der Herd anfängt zu brennen, sondern auch die meiner Nachbarin. Von meinen automatisierten Gedanken beherrscht drehe ich um und kontrolliere alles. Mit dem Ergebnis, dass noch nie etwas an oder offen war, was nicht so gehört. Das Gute: Ich bin beruhigt und kann gehen.
Bin ich nur vorsichtig oder schon kontrollsüchtig?
Habe ich mein Gehirn wieder im Griff, so fühlt es sich an, frage ich mir, wie normal mein Verhalten ist. Ich bin doch nur vorsichtig, sage ich mir. Nicht kontrollsüchtig. Oder etwa doch? Ein Blick ins internationale Klassifikationssystem ICD-10 soll mir für eine erste Einschätzung helfen. Unter dem Code F42 wird eine Zwangsstörung definiert. Drei Punkte scheinen zentral zu sein:
- "Wesentliche Kennzeichen sind wiederkehrende Zwangsgedanken und Zwangshandlungen."
- "Sie werden weder als angenehm empfunden, noch dienen sie dazu, an sich nützliche Aufgaben zu erfüllen."
- "Werden Zwangshandlungen unterdrückt, verstärkt sich die Angst deutlich."
Punkt eins: check. Zwei: teilweise, denn an kontrollieren, ob die Wohnung abbrennen könnte, ist doch schon nützlich? Und drei: bei mir eher nicht, denn dann schaffe ich es meistens zu realisieren, dass es unnötig ist, den Ofen anzugucken, wenn er gar nicht an war.
Es kommt an die Motivation an
Auf der Online-Therapie-Plattform "Selfapy" erklärt Felicitas Eva Lindner, die Psychologie im Bachelor und Master studierte, noch einen entscheidenden Unterschied: "Was Kontrollzwang deutlich von Vorsicht unterscheidet, ist die Motivation: Menschen, die unter Kontrollzwang leiden, handeln nicht primär aus Vorsicht, sondern aus Angst." Diese Angst führe zu klar ausgearbeiteten Routinen, um der Kontrolle ihm Raum zu geben. Dazu komme ein starker Leidenschaft und Betroffene würden ihren Handlungsspielraum immer weiter einschränken.
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Eine Selbstdiagnose kann und möchte ich natürlich nicht stellen – doch ich würde nicht behaupten, dass ich einen starken Leidensdruck habe und mir stetig weiter einschränke. Dennoch wirkt es, als könnte es mir guttun, mich etwas von meinen Kontrollgedanken freizumachen. Nur wie?
3 Tipps, um weniger kontrollierend zu sein
1. Akzeptieren
Zunächst sei es laut Felicitas Eva Lindner wichtig zu studieren, dass Risiken zum Leben dazugehören. Es ist einer Unterschied, ob es vor dem Urlaub darum geht, den Herd zu kontrollieren – vor allem, wenn der gerade an war, oder ob ein Fenster bei Nicht-Kontrolle während eines kurzen Spaziergangs auf die kleinsten Kipp-Stufe offen stehen könnte. Letzteres ist deutlich ungefährlicher, das ist klar. Es geht der Spezialistin aber auch eher ums Prinzip: "Vielleicht hilft dir der Gedanke, dass es ein viel größeres Risiko für den Verlauf deines Lebens sein kann, den Kontrollzwang nicht zu überwinden." Also üben wir unser erstmal in Akzeptanz.
2. Erfolge anerkennen
Die nächste Step: Fortschritte sehen, auch wenn sie klein erscheinen. "Feiere es als Erfolg, wenn es dir einmal gelungen ist, dem Drang nach Kontrolle nicht nachzugehen", rät Felicitas Eva Lindner. So werde es von Mal zu Mal immer einfacher.
3. Selbst Hilfe suchen
Klappt das nicht und du steigerst dich stattdessen immer weiter in das Gefühl hinein und leidest zunehmend unter starken Ängsten, ist es ratsam, sich professionelle Hilfe zu suchen. In diesem Rahmen kann der individuelle Fall betrachtet, das Ursachen erörtert und ein Behandlungsplan aufgestellt werden. Liegt tatsächlich ein krankhafter Kontrollzwang vor, hat sich eine Verhaltenstherapie als wirksame Methode bewährt. Und auch andernfalls können Psycholog:innen passgenaue Tipps mit dir teilen, das beim Überwinden von kontrollierenden Gedanken ideal helfen können.
Brigitte
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